Zum erneuten Missbrauchsskandal des Aloisiuskollegs: Kernschmelze der Prävention

Kernschmelze der Prävention:
Missbrauchsbetroffene fordern unabhängige Schulleitung / Gespräche ausgesetzt.

Unser Mitgefühl und Solidarität gelten vor allem dem Opfer eines Übergriffes.

Das Aloisiuskolleg (AKO) hat eine lange Tradition. Es ist die Schule in Deutschland, auf der seit mind. 1946, jedes Jahr, den aktuellen Mutmaßlichen eingeschlossen, mindestens ein Missbrauchstäter tätig war, der Opferbiografien „produzierte“. Das ist trauriger Rekord in Deutschland. Die Tradition muss beendet werden. Wir fragen uns, wie es spätestens nach Aufdeckung der Skandale 2010 nun erneut zu Übergriffen, wieder zum Super-Gau, einer weiteren pädagogischen Kernschmelze im Umfeld des Aloisiuskollegs“ zum Nachteil von Schutzbefohlenen kommen konnte. Vielen Mitgliedern des ETB mit entsprechenden biografischen Hintergrund schmerzt diese aktuelle Nachricht gleichsam körperlich. Wie lange wollen Elternschaft und Aufsichtsbehörden noch zusehen?

Wir glauben, dass nicht die einzelnen Missbrauchstäter der vergangenen Jahre das eigentliche Problem des Aloisiuskollegs darstellen, sondern die dortige Kultur, die aus einer vermeintlichen Überlegenheit und dem Streben nach dem so Besonderen, dem „Mehr“, Räume für Missbrauchstäter offensichtlich zulässt. Wir stellen, nach den uns vorliegenden Informationen, fest, dass wieder das außerschulische Angebot des AKO und das Internat eine hierbei ungesunde Rolle spielten.

Augenscheinlich haben es der Schulträger, der Jesuitenorden und die Verantwortlichen am AKO, entgegen vollmundiger Bemühungen, wieder nicht vermocht Übergriffe auf Schutzbefohlene von diesen fernzuhalten. Ursachen hierfür sehen wir im Unvermögen/Unwillen, sich einer wirklichen, weltlichen und externen Überprüfung – auch des Ordens – zu unterwerfen und daraus die richtigen Schlüsse für eine sichere Schulumgebung zu ziehen und umzusetzen.

Wir fordern daher, die vakante geschäftsführende Rektorenstelle am AKO mindestens für 3 Jahre mit einer kirchenfremden, unabhängigen Fachfrau/Fachmann mit Kompetenzen im Präventionsbereich zu besetzen, die in der Lage ist, die Missstände zu erkennen und Strukturen zu durchbrechen. Ein konsequenter Bruch mit einer fehlgelaufen „Tradition“ hat auch gegen die Verrohung der Berliner Rütli-Schule geholfen. Hierfür werden wir uns ab sofort bei den staatlichen Stellen einsetzen. Das AKO ist eine sog. Ersatzschule. Wir fragen Ersatz für was?

Katholische Self-Made-Aufarbeitung (u.E. ein Widersprich in sich) ist gescheitert. Im vorliegenden Fall hat, unseres Wissens nach, der mutmaßliche Täter den Präventionsleitfaden des AKO mitverfasst, für dessen schnelle Vorlage noch 2010 man sich dort gefeiert hatte. Auch die angeblichen Präventionsleistungen des vom AKO beauftragten Vereins Innocence in Danger mit seinem adels- also zielgruppendominierten Präsidium, (zudem unter Vizepräsidentschaft der von Betroffenen stark kritisierten ehemalige Missbrauchsbeauftragen der Jesuiten Ursula Raue), gehören ebenso hinterfragt, wie die Beiträge des ordenseigenen Zentrums für Ignatianische Pädagogik (ZIP), welches sog. „Reflektionstage“ zum Missbrauch vor 2010 am AKO durchführte. Ehrliche Auseinandersetzung, wirkliche Prävention oder Augenwischerei gepaart mit jesuitischer Hybris? Das ausgestellte Selbstbewusstsein einer Institution darf (auch indirekt) nicht zum Schaden von Schutzbefohlenen führen und erneut die Aufsicht (das sind Eltern und Behörden) oder die Öffentlichkeit blenden.

Was bedeutet es für die Aufarbeitung der Missbrauchskultur als wichtige Präventionsmaßnahme, wenn der ehemaliger AKO-Rektor, der vor 2010 mit seinen Freund, einem Missbrauchstäter, mit ausgewählten Schülern jahrelang FKK Urlaube machte, zwar versetzt, aber bis heute unbehelligt, einer Jesuiten-Niederlassung vorstehen kann? (Welchen Eindruck macht(e) das auf etwaige Folgetäter?). Was bedeutet es, wenn die Kinderschutzbeauftrage des AKO – trotz mehrfacher Kritik unsererseits, an nur einem von 15 Treffen mit Missbrauchsbetroffenen der letzten Jahre teilgenommen hat? Offensichtlich haben aber auch erneut weder Schul- noch Jugendamt in Bonn die aktuellen Parallelen zum AKO-Pro e.V. und dessen Missbrauchstäter erkannt. Was unternimmt die Bonner Jugend-Politik? Es schmerzt uns, dass u.a. obige Kritikpunkte u.v.m., die der ECKIGE TISCH BONN seit Jahren u.a. in der sog. Dialogrunde dem AKO gegenüber äußert hat, unbeachtet verhallt sind.

Eine Bigotterie besonderen Ausmaßes sehen wir in dem Umstand, dass, nach den uns vorliegenden Informationen, der beschuldigte Lehrer mehrere Tage vor dem Festakt zur Verabschiedung des Rektors am 27. April 2017 suspendiert wurde. Im Beisein des Bonner Oberbürgermeisters, des Kölner Weihbischofs, des Jesuiten Provinzials, des Paters Klaus Mertes (!) und weiterer ranghoher Jesuiten, Eltern, Lehrern, Schülern, Pressevertretern, etc. und Missbrauchsbetroffener wurde keinerlei öffentlicher Bezug auf den aktuellen Fall hergestellt bzw. dieser bekanntgegeben. Hingegen wurde bei dem Anlass, wie auf der Website des AKO (bis heute ohne Stellungnahme zum neusten Skandal) zu lesen ist: „Besonders seine Bemühungen um die Aufarbeitung des Missbrauchs im Aloisiuskolleg und seine Dialogbereitschaft mit den Betroffenen (…) hervorgehoben.“ Hier stehen sich aktuell u. E. Außen-, Innensicht und Handeln unvereinbar gegenüber. Der ECKIGE TISCH BONN e.V. setzt die Gespräche mit den Aloisiuskolleg, bis auf weiteres, mindestens jedoch bis zu einer ausführlichen Darstellung des Sachverhaltes und einer öffentlichen Stellungnahme hierzu aus.

Der Vorstand
08.05.2017